Antike Narrative und Propaganda
Einführung
von SE, NH
Narrative und Propaganda sind allgegenwärtige Begriffe. Oft verbinden wir sie mit dem Dritten Reich oder kommunistischen Regimen. Worüber viele nicht nachdenken ist, dass sich Narrative und Propaganda bereits viel früher finden lassen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die historischen Quellen über die antike Seidenstraße.
Der Begriff "Seidenstraße" selbst lässt bereits ein Narrativ vermuten. Ferdinand von Richthofen (1833-1905), der einen Reisebericht über China verfasste, führte diesen Terminus maßgeblich in die Forschung ein und benutzte ihn, um Gebiete und Handelsrouten zu beschreiben, auf denen mit viel mehr als nur Seide gehandelt wurde.
Wenn man sich also mit der antiken Seidenstraße befasst, ist es notwendig, die Quellen auf Narrative und etwaige Propaganda zu überprüfen. Dafür werden im Folgenden exemplarisch zwei Beispiele kritisch auf ihre Narrative und mögliche Propaganda untersucht.
Isidor von Charax: Parthische Stationen
von MM
Die Quelle Parthische Stationen, verfasst von Isidor von Charax, scheint auf den ersten Blick eine objektive Reisebeschreibung zu sein, ohne großartig manipulierende Adjektive oder Umschreibungen. Es scheint, als seien, durch den fast stichworthaften Charakter, nur die reinen Informationen aufgeschrieben. Doch was steckt wirklich dahinter?
Prinzipiell wurde hier eine bloße Reisebeschreibung angefertigt. Es werden vornehmlich die einzelnen Ortstypen aufgezählt. Trotzdem fallen einem beim genaueren Hinsehen Eigenartigkeiten auf. Zum Beispiel wird an einer Stelle eine Quelle zur Bewässerung aufgeführt. Ob dies einen rein beschreibenden Zweck hat oder diese Quelle erwähnt wurde, da diese bei einem möglichen Angriff der Gebiete strategisch genutzt werden könnte, ist letztlich nicht zu klären. Aus einer ähnlichen Perspektive kann man auch eine Stelle betrachten, die einen Kanal beschreibt, in welchem Wasser aufgestaut wird.
Diese Beispiele scheinen zunächst nichts Besonderes zu sein. Allerdings fällt auf, dass diese genauen Beschreibungen, neben den ungenauen, fast wahllos plaziert erscheinen.
Eine Tendenz, die sich erkennen lässt, ist ebenfalls, dass die Beschreibung der Städte, je weiter diese von Rom entfernt sind, immer undetaillierter werden. Am Anfang werden sogar noch verlassene Dörfer erwähnt. Gegen Ende werden viele Dörfer nur noch zusammengefasst. Daraus lässt sich ein bewusstes oder unbewusstes Framing erkennen, dass Städte, die weiter von Rom entfernt sind, weniger wichtig und unbekannt sind.
Markant ist auch die Erwähnung von Marktplätzen. Dies zeigt, dass der wirtschaftliche Aspekt wichtig gewesen sein muss. Aber auch militärisch-strategisch wichtige Städte oder Festungen werden erwähnt. Des Weiteren scheint die Religion ein wichtiger Faktor gewesen zu sein, denn es werden Heiligtümer, Tempel oder Königsgräber erwähnt.
Wie schon erwähnt, scheint die Erwähnung dieser Faktoren nicht ganz wahllos zu sein. Jedoch wirkt die konkrete Plazierung im Text und die Art und Weise der detaillierten Auseinandersezung mit einzelnen Faktoren wahllos. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Erwähnung der Gründer bei ausgewählten Städten. Es bleibt ein Rätsel, warum manche Faktoren an bestimmten Stellen erwähnt werden und warum diese an anderen weggelassen werden.
Alles in allem scheint es jedoch unwahrscheinlich, dass die getroffenen Aussagen falsch sind, da die Quelle ursprünglich (wahrscheinlich) für, auf jeden Fall im Zeitalter des Kaisers Augustus geschrieben wurde. Nicht zu klären ist, ob diese für die Öffentlichkeit gedacht war oder nur für den internen Gebraucht bestimmt war.
Folglich kann man aus dieser Quelle lernen, dass selbst bei einer scheinbar objektiven Quelle Framing angewendet wird. Es steht fast hinter jeder Aussage eine Wertung, die wir heutzutage leider nur noch annähernd erfassen können. Dies bedeutet aber nicht, dass wir keine Informationen über oder Perspektiven auf das Partherreich aus der Quelle eruieren können.
Quelle/Übersetzung:
Thommen, L. 2010. "III.1.2.20. Literarische Texte: Isidor von Charax." In: U. Hackl, Br. Jacobs und Dieter Weber (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des Partherreichs. Textsammlung mit Übersetzungen und Kommentaren. Band 2: Griechische und lateinische Texte, Parthische Texte, Numismatische Evidenz. Göttingen: V&R, 190-199.
Propaganda auf Münzen
von SE
Nicht nur in Reisebeschreibungen oder ähnlichen Textformen lassen sich Narrative oder Propaganda beobachten. Wie am folgenden Beispiel eines römischen Denars aufgezeigt wird, wurden auch Zahlungsmittel genutzt, um Propaganda zu betreiben.
Der Denar gehörte als Hauptmünze zum römischen bi- bzw. später trimetallischen Währungssystem (Münzgeld in Gold, Silber und Bronze). Auf der einen Seite, dem Avers, findet sich oft die Göttin Roma. Auf der Rückseite, dem Revers, wurden gerade in der Späten Republik und Römischen Kaiserzeit häufig Ereignisse wie beispielsweise militärische Erfolge dargestellt.
Hierbei ist es evident, dass die Eliten respektive Kaiser diese Möglichkeit genutzt haben, um sich zu profilieren. Im Sinne von Propaganda versuchten sie, das Denken der Bevölkerung beispielsweise über ihre Kriegsführung und -erfolge zu beeinflussen. Sie benutzen einfache, aber aussagekräftige Symbole, um ihr Ziel zu erreichen. Zum einen wollten sie einen möglichen Stimmungsabfall in der Bevölkerung verhindern. Zum anderen sollte natürlich auch die Zustimmung und Stabilität in ihre Herrschaft gesteigert werden.
Quelle:
Römische Republik, Denar, abgerufen unter https://www.moneymuseum.com/de/muenzen?&id=1787 (17.07.2021)
Fazit
Abschließend lässt sich konstatieren, dass es wichtig ist, die Narrative und Propaganda von historischem Material aus der Antike zu erkennen, sei es eine Münze oder eine Reisebeschreibung. Man kann folglich die Glaubwürdigkeit der Quelle bewerten und abwägen, ob und inwieweit es sinnvoll ist, diese Quelle zu verwenden.